politische ökologie 75/2002        
Die Kunst, weniger zu arbeiten  
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Axel Braig / Ulrich Renz: Die Kunst, weniger zu arbeiten, Argon Verlag: Berlin 2001.

Die Jungen und Dynamischen ziehen nach der Arbeit gegen 22 Uhr in die After Work Disco oder in einen Club - am besten „business like“ mit Aktentasche und Kostüm oder Anzug: Vielleicht gelingt es einigen dieser fleißigen Menschen, noch zwei Stunden am Tag frei zu haben, zu tanzen, zu reden, zu essen und zu trinken. Andere sonnen sich im Fleiß des Tages und tragen ihr Beschäftigtsein weiterhin zur Schau. Sie führen wichtige Gespräche und verabschieden sich erst von der Arbeit, wenn sie im Bett liegen und die Augen schließen.

Dass die Arbeit in unserer Gesellschaft einen Heiligenschein hat, es cool ist, rundum beschäftigt zu sein und Überstunden zu schieben, wissen Axel Braig und Ulrich Renz aus eigener Erfahrung. In ihrem Buch „Die Kunst, weniger zu arbeiten“ geben sie persönliche Einblicke, wie die Arbeit sie umklammerte, bis sie den schweren Schritt wagten: Ausstieg aus dem Job. Beide haben Familie und befinden sich mit 50 beziehungsweise 40 in den „besten“ Jahren. Beide übten einen Job aus, der Vorzeigecharakter hat: Der eine arbeitete als Arzt, der andere als Geschäftsführer in einem Verlag. Der Abschied vom Job bedeutete also auch, nicht nur auf guten Lohn, sondern auch auf Prestige zu verzichten. Aber für Braig und Renz zählte der Gewinn: Zeit und Muße.

„Die Kunst, weniger zu arbeiten“ ist kein persönlicher Erfahrungsbericht. Vielmehr widmen sich die Autoren dem Mythos Arbeit. Interessantes kommt zum Vorschein: In der Antike und im Mittelalter galt Arbeit als „ein Übel, dem man sich allenfalls aus existenzieller Not oder purer Geldgier hingab“. Muße bedeutete hingegen Freiheit und gesellschaftliche Teilhabe. Erst durch Martin Luther und die Puritaner gewann die Arbeit ihr positives Image. Auch durchleuchten Braig und Renz die aktuelle Politik, die - mit welchen Mitteln auch immer - Arbeitsplätze schaffen will: „Eine weniger arbeitswahnsinnige Gesellschaft hätte sich vielleicht eine intelligentere und lustvollere Art ausgedacht, ihr Geld zu verprassen.“

Das Buch von Braig und Renz bietet leider kein Patentrezept, wie man auf die Schnelle weniger arbeiten und trotzdem gut leben und seine Familie ernähren kann. Aber es gibt einem das Gefühl von Freiheit zurück, das man im Arbeitsalltag so schnell verliert.

Anja Wirsing