punkt.um 5/2001          
Mit Wut und Neugier zum Engagement  
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Karlheinz Böhm versteht sich nicht als Fundraiser, vielmehr als Mensch, der etwas Selbstverständliches tut. Seit den 80er-Jahren sammelte der 73-jährige Schauspieler, der mit den Sissy-Filmen berühmt wurde, für seine Stiftung „Menschen für Menschen“ Spenden in Höhe von über 300 Millionen Mark.

Wie kam es zur Wende in ihrem Leben als Schauspieler?

Die Wut entstand im Jahr 1968. Ich war damals 40 Jahre alt. Diejenigen, die auf die Straße gingen, waren 18 oder 25. Diese junge Generation protestierte gegen ihre Eltern und Großeltern, die sich weder moralisch noch praktisch mit den Verbrechen der NS-Zeit auseinander gesetzt hatten. Denn die KZ-Opfer hätte man damals bezahlen müssen, mit dem ganzen Reichtum des so genannten Wirtschaftswunders, nicht jetzt.
Das war bei mir der Anfang. Ich wurde zunehmend sozialkritisch. Bei meiner Arbeit bin ich dann auf Rainer Werner Fassbinder gestoßen, dem vielleicht kritischsten Regisseur, Schriftsteller und Schauspieler der Nachkriegszeit im deutschen Sprachraum. Er setzte sich mit allem auseinander, was ungerecht war. Ich habe mit ihm und seiner Gruppe zwei Jahre zusammen gearbeitet und viele Menschen dieser Szene getroffen.

... und wurden zunehmend politisiert?

Ja, und auch zunehmend demokratisiert. Meine Eltern vermittelten mir, dass ein Künstler sich nicht mit Politik auseinander setzen darf. Ich habe meinem Vater damals gesagt, dass ich mich aus der Schauspielerei zurückziehen und aktiv an der Politik beteiligen werde, weil das die Verpflichtung jedes Demokraten ist, der in einer Demokratie lebt.

Wo liegen die Wurzeln für ihr Engagement in Afrika?

Ich kam in den 70er-Jahren aus Gesundheitsgründen nach Kenia. Dort brachte mich ein Kellner in ein Dorf. Ich bat ihn mir zu zeigen, wo er wohnt. Ich war entsetzt, in welcher Armut die Menschen in einem Touristikland wie Kenia leben. Ich wurde immer neugieriger auf die Geschichte Afrikas, auf die besondere Auseinandersetzung mit dem Kolonialismus, der 500 Jahre verhindert hat, dass sich dieser Kontinent so entwickelte wie etwa Europa.
Dieser persönliche Einblick führte mich zu meiner Wette in der Fernsehsendung „Wetten dass ...?“ Ich wettete, dass nicht jede dritte Person eine Mark für notleidende Menschen in der Sahelzone geben wird. Heute benutze ich mein Handwerk als Schauspieler, um den Menschen die Situation in Afrika, besonders in Äthiopien näher zu bringen. Durch die Art, wie ich erzähle, bewege ich die Menschen zu helfen und Geld zu spenden.

Wie arbeiten Sie als Praktiker für die nachhaltige Entwicklung?

Mit unseren Projekten bekämpfen wir ganz entscheidend die Erosion und Überweidung, die beiden Hauptursachen für die Armut. Äthiopien war bis zu 80 Prozent von Wald bedeckt. Heute gibt es noch etwa drei bis vier Prozent Waldfläche. Die Ursache ist, dass die Menschen den Wald als einzige Energiequelle sehen. Ohne Brennholz können sie nicht überleben.

Wie helfen Sie konkret?

Wir forsten wieder auf, zum Beispiel mit Baumschulen. Wir haben schon rund 13 Millionen Baumpflänzlinge an die Bauern verteilt und insgesamt 15.000 Kilometer Terrassen gebaut, um die Erosion zu bekämpfen. Wir arbeiten sehr aktiv im Umweltschutz. Dies ist einer der Gründe, weshalb ich so aggressiv auf die Entscheidung des amerikanischen Präsidenten reagiert habe. Wir werden nicht mehr von Politikern regiert, sondern von der Wirtschaft. Herr Bush hat klar gesagt: Wenn die USA das Kyoto-Protokoll unterschreibt, würde die amerikanische Wirtschaft leiden. Es ist also nicht seine eigene Entscheidung, sondern die Entscheidung der Wirtschaft, die sagt: „Hallo, das wird nicht unterschrieben!“ So etwas passierte in den letzten 40 Jahren vermehrt. Wir sollten uns bewusst sein, dass das Auswüchse des Kapitalismus sind, die in eine falsche Richtung gehen. Der Kapitalismus ist durchaus eine geeignete Form für die menschliche Gesellschaft, aber man sollte ihn nicht so explodieren lassen, wie das im Moment der Fall ist. Es muss Grenzen geben, die unser Überleben betreffen. Wir dürfen die Umwelt nicht so verschmutzen, dass wir damit unsere Existenz bedrohen.

Das Gespräch führten Georg R. Rettenbacher und Anja Wirsing